EFRE/JTF in Nordrhein-Westfalen

RaVis 3D

Dank Radar: Sehbehinderte hören die Welt

Das von EFRE geförderte Verbundprojekt RaVis-3D hat ein Hilfssystem für Sehbehinderte entwickelt, das die Umgebung per Radar erfasst und sie in eine 3D-Audio-Umgebung übersetzt, die dem Nutzer über ein Hörgerät dargestellt wird. Ergänzend wurde erforscht, inwieweit weitere Benutzerschnittstellen wie taktile Ausgaben, Smartphones oder Smartwatches hilfreich für die Orientierung sind.

Sicher zählt das Sehen zu einem der wichtigsten Sinne des Menschen. Wir brauchen ihn, um uns zu orientieren, uns fortzubewegen, Gefahren und Hindernisse wahrzunehmen – kurz: Er ist elementar, um sich in der Welt zurecht zu finden. Entsprechend groß ist die Einschränkung durch eine Sehbehinderung. Der technische Fortschritt, vor allem die rasante Entwicklung in den vergangenen Jahren, macht es möglich, Lösungen zu finden. So nutzen blinde Menschen heute zur Orientierung nicht mehr nur Blindenstock oder Blindenhund, sondern auch modernste technische Entwicklungen. Dabei steckt dieses Feld – im Vergleich zu anderen Themen – an vielen Stellen noch in den Kinderschuhen. Das zu ändern hat sich ein Verbundprojekt der Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie mehrerer Industriepartner zum Ziel gesetzt.

Gefördert mit Mitteln des EFRE haben sie ab 2016 drei Jahre lang an RaVis-3D gearbeitet, ein Hilfssystem für Sehbehinderte. Ziel war, eine radarbasierte Lösung zu entwickeln und zu testen, welche die Umgebung des Nutzers erfasst und sie in Audiosignale übersetzt, die durch halboffene Hörgeräte ausgegeben werden. Dafür machten sich die Forscher zunächst daran, das technisch Machbare zu entwickeln. So wurden unterschiedliche Radarsysteme gebaut, die von rotierenden 360-Sensoren über spezielle Antennen, die das Gesichtsfeld des Nutzenden erfassen, bis hin zu gerichteten Sensoren, die die Entfernung eines Fokuspunkts messen, reichten. Auch bezüglich der Audioausgabe der Umgebung wurde tief in die Trickkiste der Forschung gegriffen: So analysierte das System beispielsweise die Geräuschumgebung und blendete dann die Hindernisse aus, die selbst Töne von sich geben. „Akustisch aktive Hindernisse wie ein sprechender Mensch, sollten vom System nicht als Hindernis dargestellt werden, da der Nutzer diese ja ohnehin schon wahrnimmt“, erläutert Prof. Rainer Martin von der RUB.

Durch Vermessungen des individuellen Hörvermögens der Nutzer wurde die räumliche Ortung von Quellen weiter verbessert. „Damit wollten wir erreichen, dass sich die Vertonung von realen Hindernissen beziehungsweise Navigationshinweisen möglichst akkurat in die natürliche akustische Wahrnehmung der Nutzer eingliedert“, sagt Prof. Gerald Enzner. „Wir haben für das Projekt unterschiedliche Sensoren und Systeme entwickelt und gemeinsam mit Betroffenen getestet“, fasst der ebenfalls beteiligte Prof. Nils Pohl zusammen. Das Erstaunliche sei, „dass es vor allem die einfachen, intuitiven Systeme waren, die das positivste Nutzer-Feedback ergaben.“

Das wiederum interessierte die am Projekt beteiligten Firmen Kampmann Hörsysteme und SNAP besonders. Ihre Aufgabe war, die Systeme mit Betroffenen zu testen und die Hörgeräte zur Audioausgabe zu integrieren. Hierbei hat sich vor allem ein System positiv hervorgetan, erläutert Dr. Corinna Weber von der SNAP: „Wir haben ein relativ einfaches Sensorsystem getestet, das man wie eine Taschenlampe in eine Richtung halten kann, um dann die Entfernung zum nächsten Hindernis als Ton ausgegeben zu bekommen. In Verbindung mit der Audioausgabe über Hörgeräte ergibt sich damit ein intuitiv zu bedienender ‚virtueller Blindenstock‘, der in größerer Reichweite funktioniert und von Betroffenen sehr positiv aufgenommen wurde“.

Leiter des Konsortiums Dirk Kampmann von der Kampmann Hörsysteme, ist sich sicher, dass hier großes Vermarktungspotenzial vorliegt: „Ein solches System ist bisher am Markt noch nicht vorhanden. Wir müssen nun daran arbeiten, dass die Komponenten kleiner und günstiger werden, und dass das System sich in weitere IT-basierte Blindenhilfsmittel gut eingliedert, beispielsweise auf dem Smartphone.“ Wenn das gelingt, könne man den Markt an Blindenhilfsmittel in den kommenden Jahren bereichern.



Facts & Figures

1.819.137  Euro Gesamtinvestition
davon:
909.568 Euro EFRE Fördermittel
667.073 Euro NRW Landesmittel



Projektpartner

Ruhr-Universität Bochum
Kampmann Hörsysteme GmbH


Schwerpunkt

Verbesserung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen


Laufzeit

01.07.2016 - 30.06.2019