Viele Rettungskräfte brauchen irgendwann selbst Hilfe, denn im Rettungsdienst wird nach wie vor oft mit einfacher Muskelkraft gearbeitet, etwa wenn Patientinnen und Patienten über enge Treppen in den Rettungswagen transportiert werden müssen. Das geht auf Dauer zulasten der Gelenke und Rücken der Rettungskräfte. Das Projekt SEBARES will mit einem elektronisch angetriebenen, selbststabilisierenden Transportstuhl Abhilfe schaffen.
Ein Notruf im vierten Stock. Der Patient muss ins Krankenhaus, es muss schnell gehen. Aber: durch das enge Altbautreppenhaus passt die übliche rollbare Liege aus Rettungswägen nicht, die Kurven sind zu eng. Ein Transportstuhl muss her. Das Problem an solchen Transportstühlen: Rettungskräfte benötigen viel Kraft, um sie zu tragen, und machen sich dabei oft genug selbst den Rücken kaputt. Und so ein Transport ist eine wackelige Angelegenheit, gerade wenn sich der Patient wenig kooperativ zeigt.
Das Projekt SEBARES versucht, Abhilfe zu schaffen: Gemeinsam haben die SurgiTAIX AG, der Lehrstuhl für Medizintechnik der RWTH Aachen, die Stollenwerk & Cie GmbH und der Rettungsdienst des Kreises Düren einen neuartigen Rettungsstuhl entwickelt. Anders als die bisher üblichen Transportstühle verfügt er über einen großen, zentralen Radstern und nicht einzelne, kleine Rollen oder Transportriemen. Dieser elektrisch angetriebene Stern ermöglicht sowohl das Treppensteigen als auch den Transport auf der Ebene. Dadurch wird der Kraftaufwand für die Rettungssanitäter wesentlich reduziert, erläutert Max Kinzius, Experte für Prototypenentwicklung beim leitenden Projektpartner SurgiTAIX AG: „Normalerweise tragen zwei Rettungskräfte einen Transportstuhl – einer vorne, einer hinten, und das gesamte Gewicht wird getragen. Durch den Radstern, der zwei getrennt steuerbare, elektrische Antriebe hat, kann der Stuhl nun auch auf Treppen geschoben werden.“ Neben den Antrieben ist dafür ein sicheres sowie intuitives Bedienkonzept essenziell, das es erlaubt, die Transporthilfe sicher zu halten, und weder das Bedienen von Knöpfen noch Bildschirmen während der Handhabung der Last erfordert.
Ausgangspunkt dafür war ein regelungstechnisches Prinzip, das beispielsweise auch bei Segways eingesetzt wird und dafür sorgt, dass man diese Gefährte beschleunigen kann, indem man sich als Fahrer nach vorne neigt, und abbremsen, indem man sich nach hinten neigt.
Diese Form der Steuerung wurde auf den Transportstuhl übertragen: Das Patientengewicht wird über dem zentralen Rad balanciert, sodass nur geringe Kippkräfte entstehen, die von den Rettungssanitätern aufgewendet werden müssen. Durch ein Neigen des Stuhls kann eine Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt initiiert werden. Die Rettungskräfte können verschiedene Betriebsmodi anwählen und so angeben, ob der Transport über eine Treppe, Bordsteinkante oder auf einer Ebene erfolgt.
In einer ersten Studie unter Einsatz des Prototypen zeigte sich, dass die Nutzer im Vergleich mit den aktuell eingesetzten Transportmitteln wesentlich weniger Kraft aufwenden müssen, um Patienten zu transportieren, und dabei eine ergonomisch gesündere Haltung einnehmen. Zudem ist der neuartige Rettungsstuhl sehr viel wendiger als herkömmliche Transportmittel und somit auch in engeren Treppenhäusern einsetzbar.
Aktuell hat das Konsortium der Projektpartner bereits mehrere Patente eingereicht, um die erarbeiteten Technologien zu schützen. Auch nach Abschluss des geförderten Projekts kooperieren die Partner weiterhin und entwickeln zum Beispiel eine vereinfachte Form eines Treppensteigers, an dessen Markteinführung die Firma Stollenwerk & Cie gerade arbeitet.
1.326.199 Euro Gesamtinvestition
davon
713.368 Euro EFRE Fördermittel
468.105 Euro NRW Landesmittel
SurgiTAIX AG
Lehrstuhl für Medizintechnik, RWTH Aachen
Stollenwerk & Cie. GmbH
Verbesserung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen
14.10.2016 - 30.09.2019