EFRE/JTF in Nordrhein-Westfalen

Label-freie Krebsdiagnostik „UroDigiTrans“

Prostatakrebs ist in Deutschland für Männer die Krebsart mit der zweitgrößten Sterblichkeit. Um das zu ändern und bessere Behandlungen möglich zu machen, ist es entscheidend, die Erkrankung so früh und so präzise wie möglich zu erkennen. Ein Team aus Forschern setzt dafür nun auf Künstliche Intelligenz. Sie soll helfen, Bilddaten präzise auszuwerten und auf diese Weise zu einer wichtigen Unterstützung für die Experten werden.

Besonders bei Krebserkrankungen ist eine frühe und präzise Diagnose wichtig für den weiteren Krankheitsverlauf, die Wahl der besten individuellen Therapie und die damit verbundenen Heilungsaussichten. Forschende des Zentrums für Proteindiagnostik (PRODI) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben in Kooperation mit den angeschlossenen Kliniken ein neues Verfahren der digitalen Bildgebung entwickelt, das die Erforschungsmöglichkeiten urogenitaler Tumoren erweitert und deren Diagnostik künftig als zusätzliche Methode unterstützen könnte. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist die histologische Färbung und anschließende pathologische Befundung der Goldstandard in der Gewebediagnostik. Hierbei werden Gewebedünnschnitte z.B. eines Tumors gefärbt und unter dem Mikroskop auf Veränderungen in der Morphologie untersucht.

Analyse durch KI gestützt

Häufig wird diese Methode heute durch digitale Bildgebung unterstützt, dann wird von digitaler Pathologie gesprochen. Das in Bochum entwickelte Verfahren kommt ohne diese Färbung aus, daher nennen die Forscher es Label-freie digitale Pathologie. Dabei basiert die Analyse des Gewebedünnschnitts auf der Wechselwirkung mit Wärmestrahlung (Infrarot). Dies erlaubt es, Infrarot-Absorptionsbilder des Gewebes aufzunehmen, die anschließend für die künstliche Intelligenz (KI) gestützte Analyse verwendet werden können. Diese Methode wird KI-gestütztes Label-freies Infrarot-(IR)-Imaging genannt und wird im Rahmen dieses Projektes weiter in Richtung der klinischen Nutzbarkeit vorangetrieben.

Schwingungen werden zur Stoffbestimmung eingesetzt

Beim KI-gestützten Label-freien IR-Imaging an humanem Gewebe wird IR-Mikroskopie mit der Auswertung der erhaltenen spektralen Bilddaten durch neueste bioinformatische Verfahren (Deep Learning) kombiniert. Dies ermöglicht eine höchstpräzise spektrale Auswertung des Gewebes, denn statt einer Färbung wird pro Pixel im Bild ein Absorptionsspektrum gemessen. Wenn IR-Strahlung mit Molekülen interagiert, kommt es zur Anregung von Molekül-Schwingungen, welche in sogenannten IR-Spektren aufgezeichnet werden können. Die Schwingungen werden in der Chemie und anderen Naturwissenschaften zur Stoffbestimmung eingesetzt; so konnte beispielsweise auf dem Mars Wasser nachgewiesen werden. Im Falle von Gewebe, wo Millionen unterschiedlicher Molekülschwingungen gleichzeitig angeregt werden, kann so ein integraler biochemischer Fingerabdruck der Probe gemessen werden, der durch die Nutzung von KI einer Krankheitsform zugeordnet werden kann. Die Aufnahme der Spektren erfolgt dabei ortsaufgelöst mit einem Quantenkaskadenlaser-gestützten IR-Mikroskop der neusten Generation, welches eine präzise Analyse in kürzester Zeit erlaubt. 

KI-Modelle werden weiter verbessert

Im Rahmen dieses Projektes wird die Methode des KI-gestützten Label-freien IR-Imagings weiterentwickelt und aus dem Labor näher an den klinischen Arbeitsalltag herangeführt. Hierauf haben die Forscher in den vergangenen Jahren kontinuierlich in ihren Kooperationen in Herne und Bochum hingearbeitet. Die stete Weiterentwicklung könnte es zukünftig erlauben, eine erstmalige Validierung der Methode außerhalb eines Forschungslabors durchzuführen. Hierzu wird im Rahmen des Projekts eine transportable Version des IR-Imaging-Systems eingerichtet, welche zur Testung zum Beispiel ins pathologische Institut gebracht werden kann. Parallel werden die so unter „real world“ Bedingungen gewonnenen Daten und Erkenntnisse genutzt, um die in der Entwicklung befindlichen KI-Modelle für Prostata- und Harnblasenkarzinome weiter zu verbessern und tiefergehend mit klinischen Daten zu korrelieren, um so die Grenzen der Methodik auszuloten.

Wertvolle Unterstützung in der klinischen Diagnostik

Ermöglicht wird das durch die enge und über Jahre etablierte Kooperation von PRODI mit der Klinik für Urologie des Marien Hospitals Herne und dem Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum. So soll die Methode primär in einer Studie zum Prostatakarzinom evaluiert werden. Prostatakarzinome sind aktuell die häufigste Tumorerkrankung mit der zweithöchsten Sterblichkeit bei Männern in Deutschland. Wenn sich bei einem Patienten Auffälligkeiten ergeben, werden zur weiteren Diagnostik Gewebeproben der Prostata entnommen. Die gewonnenen Proben werden durch einen Pathologen histologisch beurteilt. Die Bewertung dieser Biopsien erfordert einen hohen Grad an Training und Erfahrung, um eine möglichst präzise Diagnose zu stellen. Das Label-freie IR-Imaging könnte hier eine wertvolle Unterstützung in der modernen klinischen Diagnostik werden. Sie analysiert das Gewebe nicht nur morphologisch, sondern im gleichen Schritt auch auf molekularer Ebene und könnte demnach – so die Hoffnung der Forscher – ein gezielteres und individuell auf jeden Patienten zugeschnittenes Vorgehen unterstützen. Dies soll zukünftig sowohl den Therapieerfolg als auch die Nachsorge zum Wohle der Patienten verbessern. Nach einer erfolgreichen initialen Anwendung beim Prostatakarzinom wird das System auch auf Harnblasenkarzinome übertragen.



Facts & Figures

Gesamtinvestitionen: 658.700 Euro
davon
592.830 Euro REACT-EU Fördermittel


Projektpartner

Ruhr-Universität Bochum


Schwerpunkt

REACT-EU


Laufzeit

01.01.2022 bis 31.12.2023